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sie Hindernissen ausweichen, einmal einem Wasserbec-
ken, einmal den Aufbauten eines Schießstandes. Das Ge-
lände, so vorbildlich es angelegt war, machte einen toten
Eindruck. Es gab keinen Baum und keinen Strauch, keine
Grünfläche, man sah keinen Vogel und kein Insekt. Und
nirgends ließ sich ein Mensch blicken.
Die Mauern der Gebäude rückten näher. Es zeigte
sich, daß die Zwischenräume zwischen den einzelnen
Blocks viel größer waren, als es von ferne den Anschein
gehabt hatte  keine Schluchten, sondern steile Täler,
terrassenförmig untergegliedert. Während die Wandflä-
che selbst silbergrau schimmerte, hatten die Balustraden
einen anthrazitfarbenen Ton. Es war nicht zu erkennen,
wie man die höheren Stockwerke erreichen sollte, doch
gab es am Fuße der Bauwerke quadratische Öffnungen,
die ins Innere führten.
Die Kolonne blieb am Grund des Tals, in der Mitte der
Straße. Die Ränder waren von Schienen gesäumt, auf
denen in Abständen von etwa zwanzig Metern flache,
elliptische Fahrzeuge standen, oben und vorne offen, mit
zwei Sitzen nebeneinander.
Die Soldaten folgten der eingeschlagenen Richtung
noch zehn Minuten, dann erreichten sie eine Querstraße.
Sie fuhren geradeaus weiter bis zur nächsten Querver-
bindung und wieder zur nächsten. Sie bogen nach links,
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umrundeten den Block, erreichten die schon benutzte
Straße wieder  es hätte irgendeine andere sein können,
sie unterschied sich durch nichts von den übrigen.
Josef arbeitete am Peilgerät, er fing vielerlei Signale
auf, Stimmen, die sangen, rezitierten, flüsterten, forder-
ten, Musik, schläfriges Klingen, aber auch aufpeitschen-
des Trommeln, dazwischen immer wieder eine dunkle
Männerstimme, die Anweisungen gab:
& Erheben Sie sich vom Boden strecken Sie die Flü-
gel aus atmen Sie tief im Wind lassen Sie sich treiben
Sie brauchen kein Ziel lassen Sie zurück, was Sie be-
lastet eine Wolke nimmt Sie auf eine Schale aus Wärme
eine Handvoll Sympathie ein Hauch Vergessenheit es
gibt keine Vergangenheit und keine Zukunft &
»Kannst du den Sender anpeilen?« fragte Sonja.
»Es nützt uns nichts  es dürfte viele Sendeantennen
geben; wenn ich mich nicht irre, in jedem Block eine.
Das sagt nichts darüber aus, wo die Zentrale ist.«
»Wie sollen wir weiterkommen?«
»Wenn es keine Menschen gibt, haben wir nicht viel
zu tun. Wir brauchen keine Nachrichten auszugeben und
niemanden aufzufordern, sich unserer Ordnung anzupas-
sen.«
»Wozu bin ich dann hier?« fragte Sonja.
»Wozu sind wir hierhergekommen?«
»Es ist nicht gesagt, daß es keine Menschen gibt. Wir
waren noch nicht in den Gebäuden.«
»Warum sehen wir nicht nach?«
»Der Oberst ist vorsichtig, und ich glaube fast, er hat
recht. Ist niemand hier, so haben wir keine Eile. Gibt es
aber doch Menschen hier, so müssen wir auf alles gefaßt
sein.«
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»Es ist schwer, Geduld zu haben, wenn man das Un-
bekannte schon berührt.«
»Wir werden noch lange genug zu tun haben  länger
als uns lieb ist. Ganz gleich, ob sie leben oder nicht: Wir
werden ihre Technik erforschen, ihre Erfindungen ken-
nenlernen, das System ihrer Steuerung, ihre Art zu leben
 abgeschlossen von der Welt, in einem künstlichen Ge-
häuse. Woher beziehen sie ihre Energie, ihre Rohstoffe,
ihre Nahrungsmittel? Wie haben sie sich entwickelt, kör-
perlich, geistig?«
»Sollen wir hier Wissenschaft betreiben?«
»Wenn sich herausstellt, daß wir keine anderen Auf-
gaben haben, werden wir Wissenschaft betreiben.«
»Dann werden andere kommen, die das besorgen.«
»Wir sind darauf trainiert, die Situation schnell zu er-
fassen. Wir sind schneller als die anderen. Wäre das eine
normale Stadt, so hätten wir innerhalb von Stunden wis-
sen müssen, wie sie verwaltet wird, wo die mechanischen
Schlüsselstellen liegen, wie wir die Bevölkerung auf un-
sere Seite ziehen können. Vielleicht brauchen wir nun
nichts mehr zu unternehmen, trotzdem gibt es genug
Probleme zu lösen.«
»Nur Sonja hat dann nichts zu tun.«
»Soll ich nach Hause gehen?«
»Nein, Sonja, du gehörst zu uns!«
*
Sie kehrten am Abend ins Lager zurück. Sie hatten nichts
gesehen als leere Straßen, Wände ohne Fenster, einen
Streifen künstlichen Himmels.
Die Mannschaften standen untätig umher, einige lunger-
ten in der Umgebung herum. Viele hatten die Helme geöff-
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net. Der Oberst überwand seine Bedenken und gestattete
offiziell, daß die Schutzanzüge abgelegt werden durften.
Die Analysatoren hatten keine Spur von Keimen festge-
stellt, und niemand glaubte noch an geheimnisvolle Viren.
Als um 21 Uhr der Befehl zur Nachtruhe kam, waren
die Mannschaften nicht müde, denn sie hatten wenig ge-
tan, und sie waren verdrossen, weil ihnen das wenige, das
man ihnen befohlen hatte, als Schikane erschienen war.
Josef hatte die Empfangsgeräte wieder ins Zelt ge-
nommen und hörte einige Wellenbereiche ab.
»Wie soll es weitergehen?«
»Wir brauchen volle Bewegungsfreiheit, sonst kom-
men wir nicht weiter.«
»Morgen sehen wir uns die Häuser an, ob es dem
Obersten recht ist oder nicht.«
Sie aßen, machten sich Notizen, überprüften einige
Geräte. Dann gab es nichts mehr zu tun. Draußen war es
hell, das Licht drang durch die Sichtschlitze ein und warf
mehrfache Schatten.
»Haben wir nichts zum Verdunkeln  bei dieser ver-
fluchten Festbeleuchtung kann ja niemand schlafen.«
Sie hefteten Silberfolien von den Frischhaltepackun-
gen über die Luken. Es wurde finster, aber es kam keine
Abendstimmung auf. Verdrossen legten sie sich auf ihre
Gummimatratzen, zogen die Decken über.
»Mach Musik, Josef!«
Der Singsang der langgezogenen, auf- und abschwel-
lenden Laute erfüllte die Enge, und allmählich versank die
Wirklichkeit und gab einer wohligen Mattigkeit Raum.
Dann drang wieder eine Stimme durch die Musik,
diesmal eine weiche Frauenstimme, dunkel, vibrierend:
& das ist die Stunde der Zärtlichkeit die Stunde der
uralten Spiele seid gut zueinander macht eure Wärme
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zum Geschenk laßt eure Hände wandern geht auf die Su-
che mit den Lippen glättet das feuchte Haar kühlt die
heiße Haut horcht in das Dunkel hinein hüllt euch in den
Mantel des Vergessens die Süße liegt im Verborgenen
sucht sie, sucht sie &
Dan drehte den Kopf und sah zu Sonja hinüber. Sie
blickte ihn mit großen Augen an. Er streckte den Arm
aus, und sie kam ihm entgegen. Seine Lippen berührten
ihre Stirn, ihre Augen, die Wangen, den Mund. Unter
seiner Hand fühlte er ihre Schulter. Er streichelte sie,
fuhr die glatte Haut entlang. Es war still, bis auf verhal-
tene Atemzüge, bis auf die leise Musik, die Stimme aus
dem Lautsprecher.
Dan zögerte noch. Einen Augenblick lang beobachtete
er alles gleichsam von außen, wie alle Grundsätze zerfie-
len, alle Bedenken zerflossen. Er wurde seltsam leicht, er
schwebte. Die Welt war dunkel, er sah nichts, alle seine
Sinne konzentrierten sich auf das Gefühl. Ein Strudel
erfaßte ihn, und er ließ sich treiben.
Sonja küßte ihn, und er küßte sie. Sie verhielten sich
lautlos und bewegten sich nicht, lange Zeit. Aus dem
Hintergrund, durch einen Vorhang von Schatten, flüsterte
die Stimme auf sie ein.
Als sie am nächsten Morgen erwachten, lagen sie ne-
beneinander, und doch waren sie meilenweit voneinander
entfernt. Sie verstanden nicht, was geschehen war, viel-
leicht war es ein Traum gewesen, und vielleicht hatten
alle dasselbe geträumt.
Kurz darauf meldete sich der Oberst über Funk. Es
gäbe etwas zu sehen.
Sie stiegen den Hang hinauf, erreichten den Weg, den
sie zwei Tage zuvor gekommen waren, überwanden den
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Steilhang zur Rampe. Von hier aus konnten sie die ober-
ste Einebnung überblicken, den untersten Streifen der
Kunststoffwand & Von der Öffnung, die sie gesprengt
hatten, war nichts mehr zu erkennen.
Die Wand war glatt, nebelhaft durchsichtig wie zuvor,
draußen dehnte sich die endlose Ebene.
»Wir sind eingeschlossen.«
»Seit wann? Haben die Posten nichts bemerkt?«
»Nein. Es muß heute nacht geschehen sein. Gestern
noch waren einige Männer hier oben; sie versichern, daß
die Öffnung noch bestand.«
»Was werden Sie tun?«
»Behalten Sie es vorerst für sich. Es könnte Unruhe
verursachen. Ich nehme die Sache nicht tragisch. Wir
können jederzeit wieder sprengen. Wenn es sein muß,
sprenge ich die ganze Kuppel in die Luft.«
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